Lesedauer: 4 Minuten
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen alle Ihre Unterlagen der letzten Jahre und füttern damit eine KI. Dann ergänzen Sie das noch mit einer Einschätzung, wie sich der Markt verändern und was das für Ihr Unternehmen bedeuten wird. Dieses KI-Tool müsste dann ziemlich genau Ihren künftigen Personalbedarf vorhersagen können …
Klingt utopisch? Ist es auch (noch)! Dennoch lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Meine Recherche führte mich zu einer Vielzahl von Anbietern: ATOSS, Bitrix24, Board, GFOS, plano WFM, Quinyx, SAP, Visier, Workday Adaptive Planning. Das Spektrum reicht von umfassenden Lösungen innerhalb komplexer ERP-Systeme bis hin zu spezialisierten Anwendungen für die Personaleinsatzplanung.
Einblicke in die Praxis:
Im Rahmen meiner Recherche hatte ich über Website und Chatbot hinaus direkten Kontakt zu Mitarbeitern von Quinyx und Planday.
Quinyx
- Der Fokus und die Expertise von Quinyx liegen im Bereich Retail und Logistik, aber auch in den Bereichen Facility Management, Gastgewerbe und Last-Mile-Delivery.
- Die primäre Stärke des Tools ist die Personaleinsatzplanung („Herzstück ist intuitive Dienstplanung“), während die Personalbedarfsplanung eher in Zusammenarbeit mit Partnern erfolgt.
- Das Telefonat war freundlich, aber die Informationen waren nicht sehr aufschlussreich, und die bereitgestellten Unterlagen bestanden hauptsächlich aus Werbematerial.
- Fazit: Quinyx konzentriert sich eher auf die operative Einsatzplanung als auf die langfristige Personalbedarfsplanung.
Planday
- „Planday sorgt in erster Linie dafür, dass die Mitarbeiter wissen, wer wann wo geplant ist. Der Personalbedarf müsste manuell eingetragen werden (z.B. 3 Personen für Aufgabe x am Dienstag von 8:00 – 16:00 Uhr).“
- Das Planungstool mit Integration von Kassensystemen kann zur Prognose genutzt werden. Hier merkt man den ursprünglichen Einsatz in der Gastronomie, heute werden auch andere Branchen (Sicherheit, Gesundheit, Einzelhandel) bedient.
- Ein Testportal kann genutzt werden. Einblicke, wie KI dabei verwendet wird, bekommt man aber nicht.
- Fazit: Planday bietet Dienstplanung, aber keine strategische Personalbedarfsplanung.
Weitere Erkenntnisse: Zwei Ansätze, viele KI-Tools
Die Anbieterlandschaft ist also vielfältig. Manche Systeme kommen direkt aus dem HR, andere aus der Produktions- oder Dienstplanung. Zwei Grundrichtungen lassen sich unterscheiden:
- Workforce Planning Tools (WPT): Diese Unternehmen haben ihre Wurzeln in der operativen Einsatzplanung, beispielsweise in den Bereichen Einzelhandel, Logistik, Gastronomie oder Pflege. Durch die Verknüpfung von vorhandenen Daten mit Prognosen ermöglichen sie die Abschätzung zukünftiger Bedarfe und die Optimierung der Planung.
- Predictive People Analytics (PPA): Diese Anbieter versprechen, über das traditionelle Personalinformationssystem hinauszugehen und Einblicke sowie Verbesserungsmöglichkeiten in nahezu allen Mitarbeiterbereichen zu liefern. Dazu gehören unter anderem Mitarbeiterbindung, Diversitätsförderung, Kompetenzmanagement, Entgeltgerechtigkeit, Talentakquise, Arbeitszeitverwaltung, SMARTe Ziele und OKR – und eben auch die Planung der Workforce.
Was machen KI in den Tools konkret?
Die Art und Weise, wie KI in diesen Systemen eingesetzt wird, variiert. Einige Beispiele:
- Quinyx (WPT): Dieses Unternehmen wirbt ausdrücklich mit dem Einsatz von KI bei der Personalbedarfsplanung. Quinyx hat den KI-Pionier Widget Brain übernommen, um seine Lösungen für Personalbedarfsprognosen und -optimierung weiter zu verbessern.
- Visier (PPA): Visier bietet mit dem generativen KI-Agenten „Vee“ ein Tool, das datengestützte Einblicke für eine vorausschauende Personalplanung liefern soll.
- SAP (PPA): SAP bietet mit SAP Analytics Cloud und APS Integrated Business Planning fortgeschrittenere Analyse- und Planungsmöglichkeiten, die ebenfalls KI-Funktionen beinhalten können.
Achtung: Einige Anbieter sprechen von „KI in der Personalplanung“, meinen damit aber ausschließlich operative Einsatzplanung.
Und nun?
Bin ich letztendlich dazu gekommen, die Tools selbst zu testen? Nein.
Die Unternehmen lassen sich ungern in die Karten schauen und konzentrieren sich auf ihre Ressourcen lieber auf echte Kunden. Das ist verständlich.
War die Recherche also Zeitverschwendung? Keineswegs! KI wird in der Personalbedarfsplanung in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Die großen Anbieter werden in enger Zusammenarbeit mit den Großkunden Zug um Zug KI zum Einsatz bringen. Und der Mittelstand wird folgen.
Und kleine Unternehmen? Die wissen oft auch ohne KI, ob und wann sie eine*n Mitarbeiter*in brauchen oder nicht. Und die Geschäftsführer*innen sind meist sehr nah am Geschehen, kennen die Kunden und Mitbewerber. Eine algorithmische Prognose scheint überflüssig. KI wird wohl nicht so bald Einzug halten.
Empfehlung
Dranbleiben. Digitalisierung ist die Voraussetzung, KI der nächste Schritt. Wer seine Daten pflegt und Systeme gut strukturiert, legt das Fundament – für künftige KI-Anwendungen auch in der Personalbedarfsplanung.